Sport steht für Fair Play, das Ein­hal­ten von Regeln und fai­ren Wett­be­werb. Sowohl auf dem Spiel­feld als auch über den Sport hin­aus. Eigent­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, oder?

Wer­te und deren Ver­mitt­lung spie­len im Sport eine zen­tra­le Rol­le. Doch damit die­se dann auch im Ver­eins- und Ver­bands­all­tag gelebt und durch­ge­setzt wer­den, bedarf einer kla­ren Stra­te­gie und einer auf brei­ter Ebe­ne ver­ständ­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on. Damit hat sich Doris Klings­ei­sen, Gewalt­schutz­be­auf­trag­te im Deut­schen Ju Jutsu Ver­band sowie Kin­der- und Jugend­schutz­be­auf­trag­te im Ju-Jutsu-Ver­band Bay­ern, inten­siv aus­ein­an­der­ge­setzt. In ihrem Pra­xis­pro­jekt im Rah­men ihrer Aus­bil­dung zur Demo­kra­tie­trai­ne­rin hat sie mit „Good Gover­nan­ce – Spiel­re­geln für ein gelun­ge­nes Mit­ein­an­der im Ver­band“ eine Art „Gebrauchs­an­wei­sung“ für wer­te­ge­lei­te­te Ver­bands- und Jugend­ar­beit aufgelegt.

Mit dem von ihr dazu ent­wi­ckel­ten Work­shop-Kon­zept „über­setzt“ Doris Klings­ei­sen das Mot­to des TSB-Pro­jekts „SPORT­VER­BÄN­DE – STARK FÜR DEMO­KRA­TI­SCHE WER­TE“ ganz unmit­tel­bar in kon­kre­te prak­ti­sche Ver­eins- oder Ver­bands­ar­beit für den Ju-Jutsu-Ver­band Bay­ern. Die dazu von ihr ent­wor­fe­nen und didak­tisch auf­be­rei­te­ten Work­shops sol­len die Teilnehmer*innen an die für Sport und Gesell­schaft so wich­ti­gen Wer­te und Regu­la­ri­en her­an­füh­ren bezie­hungs­wei­se dar­an erin­nern, um dar­aus die Basis für Good Gover­nan­ce (über­setzt: Gute Füh­rung) und eine Com­pli­ance, also eine Regel­treue zur Ein­hal­tung von Geset­zen, Richt­li­ni­en und frei­wil­li­gen Kodi­zes, zu schaffen.

Am Anfang steht die Begriffs­klä­rung
Aus­gangs­punkt der von Doris Klings­ei­sen und ihrem Co-Autor Tho­mas Neu ent­wi­ckel­ten Metho­de ist die Klä­rung der Fra­ge, was Wer­te über­haupt sind und was die­se für eine Gemein­schaft und für jeden und jede Einzelne*n bedeu­ten. Aus einer sol­chen struk­tu­rier­ten Begriffs­klä­rung und Bewer­tung soll jede/r Übungs‑, Jugend- oder Kursleiter*in die Wer­te­bil­dung in seiner/ihrer jewei­li­gen Grup­pe ablei­ten kön­nen. Im beson­de­ren Fokus ste­hen dabei Wer­te wie Respekt, Fair­play, Spaß, Wert­schät­zung, Inklu­si­on und Sicherheit.

Die Not­wen­dig­keit einer sol­chen Refle­xi­on ist kei­ne neue Erschei­nung, die sich heu­te allein auf den Trend zur Indi­vi­dua­li­sie­rung oder auf die immer wei­ter zuneh­men­de Nut­zung digi­ta­ler Medi­en zurück­füh­ren lie­ße. Wer­te­ver­fall oder ‑miss­ach­tung, so die Autorin, ist so alt wie die Mensch­heit. „Die heu­ti­ge Jugend ist von Grund auf ver­dor­ben, sie ist böse, gott­los und faul. Sie wird nie­mals so sein wie die Jugend vor­her, und es wird ihr nie­mals gelin­gen, unse­re Wer­te zu erhal­ten“, zitiert Doris Klings­ei­sen eine baby­lo­ni­sche Ton­ta­fel, die für den ein oder ande­ren brand­ak­tu­ell klin­gen mag, aber bereits etwa 1.000 v. Chris­tus ent­stan­den ist.

Nichts ist so bestän­dig wie der Wan­del
Die zahl­rei­chen in der Arbeit auf­ge­lis­te­ten his­to­ri­schen Bei­spie­le und Zita­te sind nicht nur ein Beleg dafür, dass nichts so bestän­dig ist wie der Wan­del. Sie zei­gen viel­mehr auch, dass es im ste­ti­gen gesell­schaft­li­chen Wan­del dar­auf ankommt, immer wie­der aufs Neue die vie­len neu­en Per­spek­ti­ven in einer dyna­mi­schen Gesell­schaft anzu­neh­men und unse­rem Wer­te­sys­tem anzupassen.

Zur Erstel­lung der „Spiel­re­geln für ein gelun­ge­nes Mit­ein­an­der im Ver­band“ klä­ren die Workshop-Teilnehmer*innen zunächst grund­sätz­li­che Fra­gen wie die­se: Was wol­len wir? Was brau­chen wir? Wie ver­mit­telt man „alte“ Wer­te neu? Was ist Ethik und wie unter­schei­det sie sich von Moral? Und was bedeu­ten sie am Ende für die Erstel­lung eines ver­bind­li­chen und all­ge­mein akzep­tier­ten Verhaltenskodex?

Über den eige­nen Tel­ler­rand schau­en
Wer­te und Kul­tur basie­ren in der Gesell­schaft wie auch im Sport auf gemein­sam geteil­ten Wer­ten, Nor­men und Regeln. Die­se wer­den zu Hand­lungs­weg­wei­sern, aber auch Hand­lungs­be­gren­zung für die jewei­li­ge Gemein­schaft. Das ist, so Doris Klings­ei­sen, ein uni­ver­sel­les Prin­zip. Es gilt abs­trakt betrach­tet aber auch für jede Ver­eins­mann­schaft, jeden Fan-Club, eine Stamm­tisch­grup­pie­rung, eine Schul­fa­mi­lie oder eben einem Ver­band. „Nur wer über sei­nen Tel­ler­rand schaut, sich öff­net, offen ist für ANDE­RES, kann Neu­es, kann neue Gemein­sam­kei­ten ent­de­cken“, so eine zen­tra­len Workshop-Botschaften.

Aus eige­ner Erfah­rung weiß Doris Klings­ei­sen, dass Good Gover­nan­ce und Com­pli­ance in wer­te­ge­präg­ten und wer­te­för­dern­den Sport­ar­ten wie Ju-Jutsu eine idea­le Basis fin­den. Neben sport­li­cher Leis­tung und der Ver­mitt­lung von Tech­ni­ken ste­hen hier Wer­te wie Respekt, Acht­sam­keit und Selbst­dis­zi­plin ganz hoch im Kurs, sagt die erfah­re­ne Sport­le­rin. „Noch vor der ers­ten Stun­de, ehe man über­haupt die Mat­te betritt oder mit dem Trai­ning anfängt, gibt es wich­ti­ge Regeln zu beach­ten. Dazu gehört bei­spiels­wei­se Sau­ber­keit des Kör­pers, an Hän­den und Füßen wie auch bei der Klei­dung. Oder auch geschnit­te­ne Fin­ger­nä­gel. Das alles sind Punk­te, die für ein ange­neh­mes, vor allem aber acht­sa­mes respekt­vol­les, sprich wert­schät­zen­des Trai­ning mit dem/der Trainingspartner*in ste­hen, egal wel­cher Gra­du­ie­rung, egal wel­cher Leis­tungs­stand, Natio­na­li­tät, Alter oder Geschlecht.“

Wege zur Selbst­re­fle­xi­on auf­zei­gen
Im Work­shop bekom­men die Teilnehmer*innen die Mög­lich­keit, sich selbst zu reflek­tie­ren und die eige­nen Wer­te­be­dürf­nis­se bewusst zu machen. In spie­le­ri­scher Form wird so bei­spiels­wei­se erfah­ren, was es für ein gutes Mit­ein­an­der braucht. Zum Bei­spiel beim „Wer­te­du­ell“. Hier tre­ten zwei Teams in einer Art „Staf­fel­lauf“ an und müs­sen unter­schied­li­che Wer­te auf einer Wand­ta­fel fin­den und markieren.

Wel­che Ergeb­nis­se sind von einem sol­chen Good-Gover­nan­ce-Work­shop inner­halb des eige­nen Sys­tems, sprich dem Ver­ein oder Ver­band, zu erwar­ten? Doris Klings­ei­sen: „Im Work­shop spie­geln sich ganz unmit­tel­bar die Sor­gen und die rea­len Bedürf­nis­se der Sportler*innen wider. Das sind wert­vol­le, weil selbst erar­bei­te­te Punk­te für die Erstel­lung einer Com­pli­ance. Damit geht für die Teilnehmer*innen meist auch per­sön­lich eine berei­chern­de Erfah­rung ein­her. Viel zu sel­ten hat man schließ­lich im All­tag die Mög­lich­keit oder die Auf­ga­be, sich mit sei­nen eige­nen Wer­ten und Wer­tig­kei­ten zu beschäf­ti­gen.“ Das Teilnehmer*innen-Feedback sei ent­spre­chend posi­tiv aus­ge­fal­len: Sie emp­fan­den die unter­schied­li­chen Anschau­un­gen als „span­nend und für die eige­nen Ent­wick­lung för­der­lich“. Eine gute Vor­aus­set­zung, um dar­auf „Gute Füh­rung“ auf dem Fun­da­ment als wich­tig und bedeut­sam erkann­ter Wer­te aufzubauen.